Januar:
In China entwickelt sich eine neue Lungenentzündung zur Epidemie. Neujahrsessen mit Bruder, Schwägerin und Neffe. Mein Mann fliegt für ein paar Tage zur Messe nach Kalifornien. Bin zum ersten Mal mit Hund und Katzen allein im neuen Heim. Es ist kalt. Einmal schaffe ich es, Feuer im Kachelofen zu machen. Bin stolz auf mich. Und bin froh, als mein Liebster wieder da ist. Hundeschule beginnt.
28. Januar: Erster Fall des neuen Coronavirus in Deutschland, Landkreis Starnberg.
Februar:
Sturm Sabine lässt Äste und Bäume krachen. Die Welt geht unter.
11. Februar: Die neue Krankheit heißt Covid-19.
Zwei Tage Seminar am Ammersee. Am Faschingsdienstag bin ich eine lila Elfe mit blauen Haaren. Das Bad im ersten Stock wird fertig. Nur die Tür fehlt noch. Kaufe Blumenerde. Es schneit.
29. Februar: 57 bestätigte Covid-19-Fälle in Deutschland.
März:
Grassoden ausstechen und das neue Staudenbeet vorbereiten. Geburtstags-Frühstück für meinen Mann.
Am Tag, an dem der Nockherberg hätte stattfinden sollen, erklärt die WHO die Epidemie zur Pandemie. Ich helfe jetzt bei den Krötenzäunen. Meistens ist es zu trocken oder zu kalt. Aber ich freue mich über jeden Frosch, jede Kröte, jeden Molch.
13. März: Appell, alle nicht notwendigen Veranstaltungen abzusagen und auf Sozialkontakte zu verzichten.
15. März: Kommunalwahl in Bayern. Bin Wahlhelferin bei der Briefwahl. Viele Wahlzettel. Viele Kreuze.
16. März: 4.838 bestätigte Covid-19-Fälle, 12 bestätigte Todesfälle in Deutschland. Nacherfassung bei der Wahl, Hamsterkäufe, ich gratuliere meiner Mama beim Gassi gehen zum Geburtstag – ohne Umarmung.
17. März: Großeinkauf in der Gärtnerei. Anemonen, Storchschnabel, Rittersporn, Sonnenhut, Schafgarbe, Salbei weiß und lila, Katzenminze, Zwerg-Frauenmantel, Astern, Sonnenröschen, Blumenerde. So ziemlich rechtzeitig.
21. März: Vorläufige Ausgangsbeschränkung in Bayern. Verlassen der eigenen Wohnung nur noch aus triftigem Grund. Gassi gehen ist unser triftiger Grund. Hundeschule pausiert. In der Arbeit nur noch Notbesetzung. Ich nehme mir vor, meine Steuererklärung zu machen, Gedichte zu schreiben und Bilder zu malen. Die Leinwände und Acrylfarben stehen bereit. Stattdessen räume ich ein altes Blumenbeet auf und bepflanze das neue Staudenbeet.
April:
Zwei abgesagte 40. Geburtstage, zwei abgesagte Seminare. Wir genießen die Zeit und Ruhe daheim. Gehen viel Spazieren mit dem Hund. Im Wechsel Arbeit von zu Hause und Arbeit im Büro. Ostern nur zu zweit. Die Amphibien wandern nicht mehr. Zahl der Neuerkrankungen fällt wieder.
Mai:
Wir tauen eine Ente auf, die ein paar Wochen zuvor noch auf der Nachbarwiese unterwegs war. Den Braten essen wir mit den Schwiegereltern distanziert am großen Tisch. Man trifft sich viel draußen. Ein Bienenvolk zieht ein. Fundament für Hühnerstall steht. Der Kater wird am Bauch genäht. Armes kahles Katzenbäuchlein. Urlaub im Garten. Das heißt: Wie besessen immer wieder Pflanzen ausbuddeln und an neuer Stelle wieder in die Erde setzen. Fünf neue Rosen. Eine Sally Holmes und vier persische. Ich freue mich: Es wird. Mein Mann hat Angst, dass ich zum Pflanzen-Messi werde. Ausflug nach Pappenheim. Erste große Wanderung mit Hund. Bekomme eine neue Brille. Besser.
Juni:
Die Beete blühen. Bin auf Abruf, eine Bekannte zur Entbindung zu fahren. Letztlich fährt sie mit dem Krankenwagen. Fahre nur die Tasche hinterher. Besuch bei Regen über die Terrasse und mit Maske. Es ist ein zufriedener Junge mit dicken Backen. Kleine Wunder interessieren sich nicht für Krisen. Wir sind viel draußen. Bei jedem Wetter. Vieles findet nicht statt. Große Zoom-Überraschung für eine Freundin, die an ihrem runden Geburtstag nicht nach Deutschland reisen konnte. Ein kleiner Trost. Tapezieren und Fußboden im ersten Stock. Wir haben jetzt Platz für die Schränke.
Juli und August:
Ein paar Gartenfeiern und schüchterne Treffen im Biergarten. Romantische Abendessen auf Balkon und Terrasse. Ein Siebenschläfer klaut unsere Tomaten. Anstand und Abstand. Bekomme einen Rosenbogen. Freibadbesuch mit vorabgekauften Eintrittskarten. So viel Platz hatte ich dort noch nie. Der Hühnerstall ist fertig.
September:
Ich lege ein weiteres Staudenbeet an. Der Hund verletzt sich an der neuen Beeteinfassung und wird an der Pfote operiert. Wochenlang Verbandswechsel. Wir haben Urlaub. Wegen der Pandemie nichts gebucht. Wegen verbundener Pfote kein Wandern. Tagesausflug nach Nördlingen. Wir kommen zurück mit vier Hennen und einem Hahn. Den restlichen Urlaub sitze ich im Garten und erfreue mich am Anblick der Hühner. Sie sind üppig, neugierig und verfressen. Nach dem Urlaub kann der Hund wieder laufen. Unser Bad im ersten Stock bekommt eine Tür.
Oktober:
Die alte Katze frisst nicht und steht kaum noch auf. Diagnose: schwaches Herz.
Infektionszahlen steigen flächendeckend an. Lockdown light.
Themen: Wahlweise Trump oder Corona-Pandemie. Ich bin müde. Wieder im Wechsel Arbeit von zu Hause und im Büro. Ein Siebenschläfer hat sich in unser Treppenhaus verirrt, erklimmt die Garderobe und schaut den Hund und mich mit großen Augen an. Es wird kalt. Pflanze zwei Christine-Helene wurzelnackt an den neuen Rosenbogen. Freue mich auf nächstes Jahr.
November:
Endlich ist die US-Wahl vorbei. Aufatmen. Aber irgendwie nimmt das kein Ende… Arbeit weiter im Wechsel. Eines der im Frühjahr abgesagten Seminare wird nachgeholt. Tatsächlich. Wir testen Zoom mit der Familie. Die Herztabletten für die Katze bringen nichts – außer Stress beim Verabreichen.
Dezember:
Gedrückte Stimmung. Alles in allem geht es uns gut. Drei Geburtstage entfallen. Ein Abendessen, zwei Haushalte. Wir freuen uns und sind traurig zu gleich. Die Rouladen sind lecker. Neue Diagnose: Es ist nicht das Katzenherz. Es ist die Lunge.
11. Dezember: Ich suche im Internet nach Covid-19. In Deutschland sind es jetzt 1.287.092 Fälle und 21.064 Todesfälle. Ich schreibe Weihnachtskarten.
Was kommt?
Ich habe Angst vor einsamen Weihnachtsfeiertagen. Ich bin traurig, verunsichert und erschöpft. Aber ich freue mich auf ein gemütliches Silvester zu zweit auf dem Sofa mit meinem liebevollen Ehemann. Wir werden eines unserer vielen Lieblingsgerichte kochen. Oder ein neues entdecken. Ich kann mir niemanden vorstellen, mit dem ich dieses Jahr lieber und besser verbracht hätte. Und ich bin dankbar, dass es mir in diesem Krisenjahr eigentlich doch recht gut geht.
2020 hat jetzt noch knapp drei Wochen. Noch genug Zeit für die Steuererklärung, Acrylbilder und ein paar Gedichte…

© Katja John, 2020
Danke für den Einblick. 🙂