Weihnachtsgans

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Einmal im Jahr zum Weihnachtsfeste
gibt es bei uns gebrat’ne Gans
und zwar in Nürnberg-Land die beste.

Des Weihnachtsbratens Relevanz
zeigt sich bereits so vier, fünf Wochen
vor dem großen Festtagskochen.

Denn dann schon überlegen wir,
ob man dies’ Jahr ein ganzes Tier
bestellen sollte,
oder auch mal ganz bewusst
doch lieber Bio-Gänsebrust
aus Franken wollte.

Nach wochenlangem Hin und Her
ward schließlich sie bestellt –
und was dem Vater gut gefällt –
ziemlich groß und schwer.

Nackig liegt der hohle Körper da
vor Mutter auf der Arbeitsfläche.
Ganz kalt ohne sein Federkleid
tut ihr der Vogel schrecklich leid –
ihr war, als ob er mit ihr spräche.

Es wurde in der Oberpfalz
der Kopf getrennt vom Gänsehals –
kein Schwanz und keine Feder mehr,
das rührt das Herz der Köchin sehr.

Beim Waschen unterm Wasserhahn
fühlt Mutter sich der Gans recht nah.
Sie streichelt sanft dem Tier den Rücken
und kann sich Tränen nicht verdrücken.
Kurz denkt sie an das Wort vegan

Mit Zwiebeln und ‘ner gelben Möhre
kommt unsre Gans dann in die Röhre.
Bald ziehen köstlichste Gerüche
durch unser Haus und in der Küche
sucht man schon Teller für das Mahl.

Und während Mutter etwas fahl
nur Blaukraut nimmt und einen Kloß,
vertilgen ganz bedenkenlos
auch diesen stimmungsvollen Winter
Vater, Oma und die Kinder
den allerbesten Gänsebraten.

Sie mussten ja nicht kochen.
Und soviel kann man schon verraten:
übrig blieben nur die Knochen.

© Katja John, 2017

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Das Butterschmalz

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Das Butterschmalz – Eine Kurzgeschichte zur Vorweihnachtszeit

Ende November hatte sie schon einmal hier gestanden. Hier vor dem Regal mit dem Butterschmalz. Zwar hatte sie die richtige Abteilung gleich gefunden, doch dann hatte sie nicht mehr weiter gewusst. Ihre Augen sind nicht mehr so gut wie früher und es gab viele verschiedene Produkte. Die Verpackungen hatten sich so ähnlich gesehen. Weiß, gelb, eckig. Und auch ein paar runde Becher. Ratlos hatte sie sich schließlich an eine andere Einkäuferin gewandt, die gerade nach einem der eckigen Päckchen gegriffen hatte. „Junge Frau, können Sie mir helfen? Ich suche das Butterschmalz.“ „Meinen Sie das hier ganz oben?“, hatte die junge Frau zurückgefragt und sich gestreckt, um eine Packung aus dem Regal zu holen. „Ist das auch richtiges Butterschmalz? Ich brauche richtiges Butterschmalz.“ „Das ist Butterschmalz. Gibt es in 250 Gramm für 3,29 Euro oder hier die größere Packung mit 500 Gramm für 6,29 Euro. Welches möchten Sie denn?“ „6,29 Euro. So teuer? Gibt es denn noch ein anderes?“

Die junge Frau hatte kurz die anderen Produkte im Regal betrachtet und geantwortet: „Das hier scheint das einzige reine Butterschmalz zu sein. Soll ich Ihnen das kleinere geben?“ Mit dem kleinen wäre sie nicht weit gekommen. Aber 6,29 Euro für 500 Gramm Butterschmalz – dann hätte sie nichts anderes mehr kaufen können. „Oder wollen Sie vielleicht doch etwas mit Pflanzenfett? Die sind günstiger.“ Sie konnte doch nicht Butterplätzchen backen mit Pflanzenfett. „Ach, danke nein. Ich nehme es ein anderes Mal mit.“, hatte sie schließlich leise vor sich hingemurmelt und auf ihre Tasche mit dem Geldbeutel geblickt.

Jetzt stand sie wieder an der gleichen Stelle. Zwar war der erste Advent schon vorbei und sie hatte noch nicht gebacken. Aber letztlich dachte sie, war es gar nicht so schlimm. Denn es war ja auch noch kein Besuch da gewesen. Anfang Dezember ist die Rente wieder ausgezahlt worden und sie wollte nun endlich das Butterschmalz für die Weihnachtsplätzchen kaufen.

Früher hatte sie immer pünktlich zur Adventszeit Plätzchen und Stollen fertig gehabt. So konnte sie dann stolz eine kleine Auswahl in der schönen Weihnachtsschale auf den Tisch neben den Adventskranz stellen. Und alle haben sich gierig darauf gestürzt. Allen voran ihr Mann, vor dem sie die Spitzbuben und Vanillekipferl verstecken musste, weil sonst zu Weihnachten nichts mehr übrig gewesen wäre. Und die Kinder, die sich so sehr über die verschiedenen Formen der ausgestochenen Butterplätzchen gefreut hatten.

Der Weg zum Supermarkt am Ortsausgang war ihr jetzt, da es kälter geworden ist, sogar noch weiter vorgekommen. Als ihr Mann noch gelebt hatte, sind sie viel gelaufen. Weite Strecken. Bei Wind und Wetter. Ganz früher noch mit den Kindern und dann später zu zweit. Noch letztes Jahr hätte ihr der kleine Fußmarsch zum Supermarkt nichts ausgemacht. Doch jetzt stachen und brannten ihre Füße, Knie und Hüften. Die Zehen spürte sie vor Kälte kaum noch. Mehrmals musste sie stehen bleiben, so schwer fiel ihr jeder Schritt. Ihre Handtasche trug sie über dem Arm und die Hände, obwohl sie gestrickte Handschuhe trug, waren durchgefroren. An den Weg zurück wollte sie gar nicht erst denken.

Sie wollte jetzt lieber daran denken, dass sie fast am Ziel war. Das letzte Stück an der Baustelle vorbei, über den großen Parkplatz. Dort klaubte sie bei den Einkaufswagen umständlich, mit steifen Fingern eine Münze aus dem Geldbeutel. Der Wagen war auch praktisch, um sich daran festzuhalten. Mit dem Einkaufswagen schob sie durch die Glastüre, die sich automatisch öffnete, hinein ins Warme, vorbei am Obst und Gemüse, an der Marmelade, an den großen Kühlschränken mit Joghurt und Quark.

Nun stand sie vor dem großen Regal, von dem sie wusste, dass ganz oben das Butterschmalz stand. Sie streckte sich, machte sich so lang sie konnte. Stellte sich sogar ein bisschen auf die schmerzenden Zehen und schaffte es allein, ganz allein, den Eimer mit dem Butterschmalz aus dem Regal zu nehmen. Ihre Augen glänzten und auch wenn man es ihrem müden Gesicht nicht sofort ansah – sie lächelte.

Gleich würde sie bezahlen. Sie drückte ihre Tasche, in der sie das Portemonnaie mit dem Geld wusste. Dann würde sie nach Hause laufen, den Plätzchenteig kneten, ruhen lassen und morgen würde sie den Teig ausrollen, Sterne, Monde, Herzen und Schmetterlinge ausstechen, diese auf ein Blech legen und backen. Es würde länger dauern als früher. Aber sie würde selbstgebackene Plätzchen in der schönen Weihnachtsschale neben dem Adventskranz auf den Tisch stellen können. Und dann würde, so hoffte sie, spätestens wenn die vierte Kerze brennt, auch endlich der Besuch kommen.

© Katja John, 2017

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Kronenknistern

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Bald bricht
das Grün durch
die kahlen Äste
Gäste im Licht
jetzt reckt sich
streckt sich
der Wald

Feste in den ersten
Sonnenstrahlen
die kraftvoll durch
die noch kahlen
Birken streichen
durch Buchen
durch Eichen

wenn sie die Föhren betören
bis zum Bersten
mit Wärme liebkosen
hört man die zügellosen
Dämonen – sie wohnen
in den Kiefernkronen –
knistern.

© Katja John, 2017

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Von dem, was bleibt

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Jetzt sind deine Haare weiß
der Tisch trägt die gleiche Decke
abwaschbar
hier gab es Himbeerpudding, Memory
und Apfelspalten

wie lange war ich weg?

die Arthrose kann nicht mehr stricken
nicht mehr den Reißverschluss greifen
muss i denn muss i denn
in die weite Welt hinaus
dachte ich und ging

horch was kommt von draußen rein
hast du gesungen
und jetzt lauschst du
dem Froschkönig von CD
damals hast du für mich gelesen

Dornröschen auf der Eckbank
selig lächelnd
Pillen gegen das Verlorengehen
manchmal bist du nicht mehr
zu Hause hinter deinen Lidern

wie lange war ich weg
und nun fremd hier
nur noch ein paar helle
Augenblicke
daheim bei dir.

© Katja John, Version Lyrikstier 2017
(ausgezeichnet mit dem Sonderpreis des Magazins „Bayerns Bestes“)

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An einem Mittwoch vor vier

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Beim Rentner-Bäcker mit dir
an einem Mittwoch vor vier
nach Pfefferminztee
und schwarzem Kaffee
hast du so nett
beim Tablett-
rückgabewagen
etwas umständlich
damit später sich nicht
die älteren Damen plagen
müssen unsere Tassen

ich könnte dich küssen

ganz unten einsortiert

du musst verstehn
dass ich seitdem
bei jedweder Tablettrückgabe
die zärtlichsten Gefühle habe.

© Katja John, 2017
(Zum Valentinstag)

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Und wieder rief der Lyrikstier…

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Ein neues Jahr, ein neues Glück.

Am letzten Wochenende hatte ich erneut die Gelegenheit am Lyrikstier in Hochstadt/Weßling teilzunehmen. Auch diesmal durfte ich wundervolle Menschen kennenlernen, alte Bekannte wiedersehen und wertvolle Erfahrungen sammeln.

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Und doch war mein Erleben diesmal ganz anders als bei den vorangegangenen Lyrikseminaren. So war beim 6. Lyrikstier noch alles neu für mich, die Aufregung und Vorfreude umso größer und die himmelhoch jauchzende Aura wirkte lange nach. Auch beim 7. Lyrikstier erging es mir ähnlich. Das Lyrikfieber hatte mich gepackt und so schnell nicht mehr losgelassen.

Ein Jahr hatte ich dann pausiert, um nun am 9. Lyrikstier zum Thema „Heimat“ teilzunehmen. Und auch dieser Lyrikstier im Januar 2017 war wieder ein großartiges Erlebnis. Doch was war diesmal anders?

Anders war, dass ich bereits seit Wochen den Kopf nicht frei bekommen hatte. Ich hatte wochenlang nicht schreiben können. Statt mich kreativ auszutoben, sprangen meine Gedanken von einer „To-do-Liste“ zur nächsten.

Doch dann war ich plötzlich in Weßling, das Handy hatte keinen Empfang und die „To-do-Listen“ begannen zu verblassen. Es war wundervoll, sich wieder so intensiv mit Lyrik befassen und sich mit anderen Teilnehmern darüber austauschen zu können. Die Veranstalter und Mentoren gaben wertvolle Tipps, moderierten fair und sorgten für eine angenehme, freundschaftliche Stimmung. Ach, überhaupt die Atmosphäre! Obwohl ein Wettbewerb in das Seminar eingebettet war, standen auch diesmal die Lyrik, Begegnungen und der Austausch im Vordergrund. Konkurrenzdenken war kaum spürbar.

Trotzdem war ich diesmal in mich gekehrter. Nachdenklicher. Etwas war anders: mein Gedicht und ich. Für das Seminar hatte ich ein sehr persönliches Gedicht eingereicht („Von dem, was bleibt“) – ein Gedicht zu dem mich eine geliebte Person inspiriert hat, die für mich eng mit meinem Gefühl von Heimat verbunden ist. Zugleich ist es ein Gedicht über Altwerden, Heimatverlust und Verlorengehen. Mit diesem Gedicht sollte ich mich nun das Wochenende über befassen. Und eben dies ist nicht spurlos an mir vorbeigegangen. Bereits das erste Lesen fiel mir schwer und im Laufe des Freitags und Samstags las ich das Gedicht natürlich immer wieder und wieder. Dachte an den geliebten Menschen. Dachte an früher. Dachte an jetzt. Weinte leise. Veränderte Verse. Veränderte Betonungen. Ich ließ das Gedicht nicht los und das Gedicht ließ mich nicht los. Wir umarmten uns und piesackten uns. Die Verse spukten mir nachts im Kopf herum, so dass ich kaum Schlaf fand.

Es war schön. Es war wundervoll. Doch diesmal eben auch sehr anstrengend. Emotional viel schwerer für mich als bei den letzten Malen.

Am Abend des „Wettstreits“ las ich als dreiundzwanzigste Teilnehmerin. Natürlich war ich wieder nervös. Die Hände schwitzig. Zitternde Knie.

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Doch die Strapazen haben sich in vielerlei Hinsicht gelohnt. So durfte ich sogar einen der Preise (Sonderpreis des Magazins „Bayerns Bestes“) mit nach Hause nehmen und freue mich sehr darüber.

Der Lyrikstier 2017 war überwältigend. Vielen Dank an alle, die diese Erfahrung möglich gemacht haben!

Ich bin an diesem Wochenende ein Stück gewachsen.

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Herzlichen Glückwunsch auch an alle anderen Preisträger! Darunter sind unter anderem Holger Küls (Jurypreis für sein Gedicht „Praha“), Nikolaus Högel (Publikumspreis für sein Gedicht „Voixfest“) und Regine Juhls (Teilnehmerpreis für ihr Gedicht „Muttersprache“).

© Katja John, 2017

Verschossen

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Ganz ohne Wecker
sanft erwacht
nach einer wundervollen Nacht
und Träumerei von Amors Pfeil
(wie geil!)

den schönsten Tag
mag die Sonne versprechen

dann schmerzliche Wende

es sticht im Rücken
undenkbare Qual
kein Stehen kein Bücken
ist möglich

wie kläglich
die Position
halb aufrecht schon
vorm Bett
doch lässt sich das Skelett
nicht ganz korrekt
mehr richten

Amor
die Hex
hat (besoffen vom Sex) gezielt
und getroffen.

© Katja John, 2016

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